Zur Produktivität virtueller Bildarchive
Der zweitägige Workshop versammelt Positionen aus Kultur-, Medien- und Bildwissenschaft, die nach dieser neuen Rolle virtueller Bildarchive für die Produktionsverhältnisse gegenwärtiger digitaler Bildkulturen fragen. Was heißt es für Museen, Bibliotheken und Archive, wenn sie sich zunehmend als Datenproduzenten begreifen müssen? Welche neuen bildlogistischen Operationen und bildkulturellen Praktiken entstehen im Umgang mit virtuellen Bildarchiven? Welche Voreingenommenheiten, Verzerrungen und Diskriminierungen gehen mit diesen (re-)generativen Mobilisierungen einher? Und wie tragfähig ist der – traditionellerweise nur mit bestimmten Speichervorgängen verbundene – Archivbegriff, um die latenten Möglichkeitsräume algorithmischer Bildproduktion theoretisch zu fassen?
Archive gelten gemeinhin als Orte der Bewahrung und Erhaltung, nicht als Stätten der Produktion. Das archivarische Versprechen langfristiger Persistenzsicherung wird zumeist mit Praktiken der Arretierung und Fixierung, weniger mit Prozessen der Mobilisierung und Generierung assoziiert. Doch mit der großmaßstäblichen Digitalisierung archivierter Kulturgüter verändert sich die Rolle traditioneller Gedächtnisinstitutionen. Das betrifft auch bildarchivarische Konstellationen: Bildspeicherbestände sind mittlerweile integraler Bestandteil der digitalen image pipeline geworden. Als massenhaft abschöpfbaren Ressource fließen sie etwa in Form von Trainingsdaten für Deep Learning in die Produktion neuer Bilder ein. Die Bilder der Vergangenheit dienen dabei als scheinbar unerschöpfliche Quelle visueller Muster, die sich beliebig reproduzieren, extrahieren, variieren und transformieren lassen. Nicht zuletzt die rasanten Entwicklungen im Bereich der Text-to-Image-Modelle wie Dall-E oder Stable Diffusion machen deutlich, wie das virtuelle Archiv digital mobilisierter Bilddaten heute die Produktionsbedingungen ubiquitärer Bildsynthese, -generierung und -optimierung bestimmt: Bildspeicherbestände, ihre latenten Muster und bildkulturellen Stereotype bedingen und beschränken dabei, welche neuen Bilder überhaupt möglich und wahrscheinlich werden.