Virtuelles Objekt des Monats

Augusta Victoria 1889 | Minecraft Map

Ein Objekt, das historische Rekonstruktionen bereichert

Christian Bunnenberg

Juni 2023
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Entstehungsgeschichte – Was ist die Minecraft Map der Augusta Victoria 1889?

 

Bei dem virtuellen Objekt handelt es sich um eine Rekonstruktion des 1889 bei der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (HAPAG) in Dienst gestellte Doppelschrauben-Schnelldampfer „Augusta Victoria“. Mit dem Sandbox-Computerspiel Minecraft hat der User Drash2005 eine an den erhaltenen Schiffsplänen orientierte, im digitalen Raum begehbare Version des Schiffskörpers erstellt.

 

Kompetenzen – Was kann die Minecraft Map der Augusta Victoria 1889?

 

Die grundlegende Eingrenzung eines Untersuchungsgegenstandes in der Geschichtswissenschaft erfolgt über die Kategorien Zeit und Raum. Im vorliegenden Beispiel werden die in der Vergangenheit hinterlassenen Spuren des historischen Schiffskörpers – Schiffspläne, Fotografien, Zeichnungen, Beschreibungen – für eine Gegenwart zu Quellen, die dann als Grundlage zur Rekonstruktion des Schiffskörpers herangezogen werden. Drash2005 erzeugt so mit einer beliebten Spielesoftware eine virtuell „begehbare“ Version des Schiffes – ich nutze es, um mir die Dimensionen des Schiffsraums besser vorstellen zu können. Dabei handelt es sich jedoch nicht um ein Abbild der Vergangenheit, sondern um eine Annäherung an die Vergangenheit. Das bemerkt auch Drash2005 in einem YouTube-Video. Dieses virtuelle Objekt zeigt, wie die vergangene Lebenswelt der „Augusta Victoria“ virtuell ins Bild gesetzt und dann auch für geschichtswissenschaftliche Forschung genutzt werden kann.

 

Erkenntnisse – Was zeigt die Minecraft Map der Augusta Victoria 1889?

 

Im Zusammenhang mit dem Projekt „Tourismusgeschichte im 19. Jahrhundert am Beispiel des Kreuzfahrttourismus zwischen 1890 und 1914“ ist bei einem kulturhistorischen Zugriff auch der Schiffskörper als touristischer Raum von Interesse. Für die Rekonstruktion konnten zeitgenössische Pläne, technische Zeichnungen, Fotografien, Zeitungsartikel und Schilderungen von Passagieren zusammengetragen werden. Hinzu kommen Schiffsmodelle, die als Anschauungsmaterial in Museen zu finden sind. Diese Quellen und Darstellungen machen zum einen historische Begebenheiten sichtbar, zum anderen wird der Schiffskörper bei der Lektüre der Quellen vorstellbar. Was aber trotz dieser detaillierten Rekonstruktionen fehlt, ist ein konkreter Raumeindruck aus dem Inneren des Passagierschiffs. Abhilfe kommt aus einer unerwarteten Ecke: Die Minecraft Map der Augusta Victoria 1889 von Drash2005 ermöglicht nicht nur virtuelle Rundgänge durch den Schiffskörper, und vermittelt so einen räumlichen Eindruck von den Gegebenheiten, die Map eröffnet zudem Perspektiven auf die Raumwahrnehmung durch die mitfahrenden Zeitgenoss*innen, die Trennung von Passagieren und Mannschaft oder die Anordnung von erster, zweiter und dritter Klasse. Was bei den musealisch angelegten Schiffsrekonstruktionen offenbleiben muss, die Erfahrung des Schiffsinnenraums als sozialen Raum, der architektonisch und ästhetisch sozioökonomische Trennungs- und Vergemeinschaftungsstrukturen vorgibt, wird in der virtuellen Würfelwelt – neben allen vorhandenen und reflektierten Leerstellen – begeh- und erfahrbar.

 

 

Quellen

CronosDarth (2018): [OUTDATED] Minecraft SS AugustaVictoria von Drash. Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=zAj59vCgXG8 (letzter Zugriff 31.05.2023).

CronosDarth(2019): SS Augusta Viktoria in Minecraft - HAPAG macht Dampf! Online unter: https://www.youtube.com/watch?v=Ao-cNniEy7Y (letzter Zugriff: 31.05.2023)

Drash2005 (2017): S.S. Augusta Victoria 1889 (OUTDATED!). Online unter: https://www.planetminecraft.com/project/s-s-augusta-victoria-1889/(letzter Zugriff: 12.05.2023).

Drash2005 (2019): S.S. Augusta Victoria 1889 (2019 Version). Online unter: https://www.planetminecraft.com/project/s-s-augusta-victoria-1889-2019-version/(letzter Zugriff: 12.05.2023).

Johnston, John S. (ca. 1890): The German ocean liner SS Augusta Victoria (1888) taken around 1890. Foto. In: Library of Congress. Onlineunter: https://commons.wikimedia.org/wiki/File:4a15881u.tif?uselang=de (letzter Zugriff: 31.05.2023).

o.A.(1891): Mittelmeer-Fahrt der „Augusta Victoria“ 1891. Salon. Hamburg: Verlag von Strumper & Co.

Schiffsplan der Augusta Victoria [Ausschnitt]. In: Haack, Rudolph; Busley, Carl: Die technische Entwicklung des Norddeutschen Lloyds und der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft. Berlin 1893. Reprint, hrsg. und eingel. von Lars U. Scholl. 2 Bde. Düsseldorf: VDI 1986.

Tourismusgeschichte im 19. Jahrhundert am Beispiel des Kreuzfahrttourismus zwischen 1890 und 1914. Forschungsprojekt von Christian Bunnenberg. Online unter: https://www.ruhr-uni-bochum.de/gd-ph/forschung/tourismus.html.de (letzter Zugriff: 31.05.2023).

 

Weiterführende Literatur

Bunnenberg, Christian (2021): Excursion mit Folgen Die „Orientfahrt“ der „Augusta Victoria“ 1891 und die Geschichte des Kreuzfahrttourismus. In: bpb: Aus Politik undZeitgeschichte. Online unter: https://www.bpb.de/shop/zeitschriften/apuz/344461/excursion-mit-folgen/ (letzter Zugriff: 31.05.2023).

Bunnenberg, Christian; Habinger, Gabriele; Lund-Durlacher, Dagmar (2022): APuZ #4: Reisen und Tourismus. Podcast. Online unter: https://www.bpb.de/mediathek/podcasts/apuz-podcast/345765/apuz-4-reisen-und-tourismus/(letzter Zugriff: 31.05.2023).

Das Virtuelle Objekt des Monats

Ab April 2023 stellen wir jeden Monat ein „Virtuelles Objekt des Monats“ (VOM) auf der Website des Sonderforschungsbereichs 1567 „Virtuelle Lebenswelten“ vor. Die präsentierten Objekte entstammen der Forschung in den Teilprojekten. Im Zusammenspiel von Text und Animation, desktop- oder smartphonebasierter Augmentierung oder anderer grafischer Aufbereitungen eröffnen wir Einblicke in die verschiedenen Forschungsthemen und den Arbeitsalltag des SFB. Das VOM macht unsere Wissensproduktion transparent. Zugleich wollen wir hier mit den Möglichkeiten und Grenzen der Wissensvermittlung in und durch Virtualität und Visualität experimentieren.

Das „Virtuelle Objekt des Monats“ ist mehr als ein populärwissenschaftlicher Text und mehr als ein illustrierendes Bild. Die Autor:innen des jeweiligen VOM präsentieren kurz einen Gegenstand ihrer Forschung um daran ein Argument scharfzustellen. Dabei werden die Objekte auf ihren Mehrwert hin befragt, den sie in dem jeweiligen Forschungssetting preisgeben. Mit dem Text skizzieren unsere Wissenschaftler:innen das Bemerkenswerte, das Eigentümliche oder auch das Einzigartige, welches das jeweilige Objekt zeigt. Sie machen so die Forschung des SFB in einem kurzweiligen Schlaglicht sichtbar. Die zum VOM gehörende Visualisierung ist eine weitere Transformation des Forschungsgegenstands, die das Argument noch einmal auf eine andere Art und Weise zugänglich macht.